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Franzi 15

Eingang: 10.04.2020, Veröffentlicht: 10.04.2020

Franzi 15
© Michael Royen, Tänzer, 1990/91, Granit und bemalter Kunststoff, 40 x 19 x 6 cm. Foto: Sammlung der Stadt Fellbach

Text: © Zentrum Verkündigung der EKHN / Bild: © Michael Royen, Tänzer, 1990/91, Granit und bemalter Kunststoff, 40 x 19 x 6 cm, Sammlung der Stadt Fellbach.


Der gekreuzigte Jesus. Aber das Kreuz fehlt. Das ändert alles. Er hängt nicht mehr tot an Balken genagelt da. Er steht auf den Zehen. Nein, er steht nicht. Er tanzt! Eigentlich müsste er tot sein. Das Haupt hat sich schon zur Seite geneigt. Das war’s. Aber nein. Er tanzt wie es in südlichen Ländern üblich ist mit erhobenen Armen. Leichtfüßig und unverschämt lebendig. Allem Augenschein zum Trotz.

Das waren noch Zeiten, als wir keine anderen Sorgen hatten, als das Tanzverbot an Karfreitag. Erinnern Sie sich? Doch an diesem Karfreitag 2020 ist alles anders:
Die Regelungen zur Eindämmung von Corona fegen die Straßen leer. Nicht nur Tanzveranstaltungen, auch Gottesdienste in der Kirche werden abgesagt. Dieser Christus tanzt. Allen Verboten zum Trotz. Aller Erniedrigung zum Trotz. Der Verlassenheit zum Trotz. Seinem Tod zum Trotz. Er tanzt seinen Tod.

Dabei hat der Kölner Bildhauer Michael Royen nichts weiter getan, als ein klassisches Kruzifix in Kunststoff abzuformen. Nur die Kreuzbalken hat er weggelassen. Das Ergebnis ist verblüffend. Dieser Christus tanzt, obwohl es eigentlich unmöglich ist. Die Nägel stecken noch in Händen und Füßen. Das Kreuz ist zwar nicht da, aber dem inneren Auge drängt es sich auf. Das macht dieses Kunstwerk so reizvoll.
Die doppelte Sichtweise. Die Entdeckung, die der Künstler gemacht hat, als er die Figur des Gekreuzigten genauer ansah: Es gibt eine andere Perspektive.
Eben noch festgenagelt, ohnmächtig, gestorben. Jetzt kann der Tote tanzen. Dabei ist die Figur dieselbe geblieben. Der christliche Glaube hat von Anfang an mit diesem Perspektivenwechsel zu tun. Wir glauben daran, dass sich Gott in aller Schutzlosigkeit, in Ohnmacht zeigt.
In Schwachheit, sagt der Apostel Paulus dazu:
Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig (2 Kor 12, 9).
Das ist ein Perspektivenwechsel.
Ja, zurzeit ist die Menschheit schwach gegenüber einem Virus. Aber die Entschlossenheit, Ansteckung zu vermeiden, ist stark. Ja, zurzeit ist es mehr als nur unbequem. Kinder unter Quarantäne werden rebellisch, es gibt keinen Sport im Verein, keine Kulturveranstaltung. Besonders schlimm: Menschen haben Angst, allein zu bleiben, und viele Arbeitsplätze sind in Gefahr.
Doch in dieser Schwachheit sammeln sich andere Kräfte. Menschen kaufen für ihre Nachbarn ein, lernen neue Umgangsformen, trotzen der Ansteckung mit Verzicht. Verzichten können ist stark. Wenn Oma und Opa vorschlagen, Ostern irgendwann im Juni vielleicht mit den Kleinen nachzufeiern, ist das stark. Stark ist es auch, wenn eine Gesellschaft so solidarisch wie möglich mit Steuergeldern hilft, um einzelne und Firmen vor dem Absturz zu bewahren. Stark sind auch die Ideen, die in Kirchengemeinden aufkommen.
Wir sind nicht ohnmächtig, nicht festgenagelt in der Erstarrung. Unsere Ideen dürfen tanzen, dem Virus zum Trotz, allen Einschränkungen zum Trotz.
Dieser Christus tanzt. In seiner Schwäche ist er stark. Er tanzt gegen die Erstarrung und gegen das Gefühl der Ohnmacht. Er tanzt seine Einsamkeit. Er tanzt seinen Tod.
Damit wir leben.

Bleiben Sie behütet
Petra Woscholski

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